Zu einem informativen Rundgang auf der Bockerter Heide konnte Günter Wessels am 17. August 2023 mehr als zwanzig Interessierte begrüßen. Innerhalb einer Stunde führte der Leiter der NABU-Gruppe Viersen zu markanten Zeugnissen der Waldnutzung vergangener Jahrhunderte.
"Dieses Gebiet ist das Erste in NRW, das wegen der landeskulturellen Besonderheiten unter Schutz gestellt wurde. Es ist uns ein großes Anliegen, den Bürgern diese Zeugnisse zugänglich zu machen", sagte Wessels. In einem lichten Buchenbestand zeigte Wessels, was es mit dem Buchen-Niederwald auf sich hat. "Holz war der einzige Energieträger. Daher ernteten die Menschen regelmäßig im Wald." Die Buche gibt ein gutes Feuerholz. Die Bäume wurden aber nicht gefällt, sondern ab einer bestimmten Dicke wurde der Haupttrieb gekappt. Der verbliebene Baum konnte neu ausschlagen. "Außerdem waren die Bauern zum Lemmen verpflichtet. Dabei werden junge Triebe abgesenkt und in der Erde verankert. Es bilden sich Wurzeln, ein neuer Baum entsteht."
Sehr große Buchen und Eichen waren Mastbäume zur Ernährung von Vieh. Heute sind sie Solitäre von hohem Wert.
Ein landeskulturell sehr bedeutsames Element der Bockerter Heide sind die Flachskuhlen. Das Gelände wurde von einem Pflegetrupp aus Freiwilligen und Hauptamtlichen im zeitigen Frühjahr freigelegt. "90% der Bevölkerung hatten mit dem Anbau und der Verarbeitung von Flachs zu tun. Das war neben dem Ackerbau der allerwichtigste Erwerbszweig", weiß Günter Wessels. Die Fläche muss regelmäßig gepflegt werden, sonst wächst sie zu. "Hier zeigt sich, wie anderen Stellen auch, der eklatante Wassermangel des Geländes. Das macht uns große Sorgen", berichtete Wessels, der kürzlich einem Team des WDR die Fläche zeigen und erklären konnte.
Wälle grenzen die Flächen gegeneinander oder gegen die Wege ab. Manche sind kaum noch erkennbar. Ein von niedrigen Wällen umgebenes Flurstück liegt Wessels besonders am Herzen. "Wir haben es von einer Familie geschenkt bekommen und können es so pflegen, dass die ursprüngliche Vielfalt an Pflanzen und Tieren wieder zum Vorschein kommt." Dafür wurden Bäume entnommen und lichte Bereiche geschaffen. Voll Freude zeigt Wessels kleine Pflanzen, manche tragen bereits zarte Blüten. "Die Heide kommt wieder zum Vorschein!"
Nicht fehlen durfte die Viersener Mispel, die Urform dieses Gewächses. "Sie ist sehr schwer zu vermehren. Hier gibt es Exemplare, die umbedingt freigestellt werden müssten, damit sie sich besser entwickeln können." An den helleren Standorten sind die Büsche und Bäumchen voller Früchte. "Daran müsste die Stadt Viersen wirklich ein großes Interesse haben", sagt Wessels mit Blick auf das Viersener Stadtwappen mit seinen drei Mispelblüten.
Flachskuhlen sind nicht nur Bodendenkmale und Zeugnisse des Flachsanbaues und der Leinenweberei in früheren Jahrhunderten. Sie sind auch ein schützenwerter Lebensraum, insbesondere für Amphibien. Von Brombeeren überwucherte Kuhlen und Zuwegungen mindern den Wert für seltene Arten. Die Flachskuhlen können dadurch auch nicht mehr als Zeugnisse früherer Prozesse der Textilherstellung erlebt werden.
Nach der erfolgreichen Freistellung der Flachskuhlen im Gebiet 14 Rueten ging am 11. Februar 2023 eine motivierte Gruppe aktiver Naturschützer in der Bockerter Heide ans Werk. Mit Freischneidern, Astscheren, Hacken und Harken wurden die Brombeeren entfernt, mit Schubkarren und Planen aus dem Gelände herausgeholt und schließlich auf Haufen am Weg abgelagert. Einige dieser Haufen sollen als Unterschlupf für Kleintiere auf dem Gelände bleiben.
Der stellvertretende Forstrevierleiter Richard Schulze-Frenking zeigte sich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. "Die Fläche sieht super aus. Wir vom Forst sehen in Zukunft zu, dass diese frei bleibt und nicht wieder mit Brombeeren zuwächst."
Günter Wessels stellte zunächst die Vogelwelt in den Mittelpunkt, da bei Beobachtungen und Kartierungen vor 33 Jahren noch weit mehr als 100 Vogelarten im Viersener Stadtgebiet vorkamen. Da die Zahlen in allen Landschaftsräumen inzwischen zum Teil stark abgenommen haben, will der NABU das im Laufe des Jahres bei mehreren Wanderungen mit interessierten Mitgliedern und Gästen erkunden.
Dann ging es um Naturschutzgebiete: Im Nierstal konnte die Nierstalstraße verhindert und mehrere Naturschutzgebiete ausgewiesen werden. Der Storch brütet inzwischen immer wieder an der Clörather Mühle. Im Ringter Bruch, dem wertvollsten Viersener Feuchtgebiet, dessen Pflanzenwelt wir 1988 kartiert hatten, sinkt das Grundwasser ab und die Eutrophierung nimmt zu.
Noch immer sind die Süchtelner Höhen kein Naturschutzgebiet. „ Dieser historische Wald mit u.a. dem 900 Jahre alten Wall um den Erbenbusch muss unter Schutz gestellt werden. Diese bundesweit wohl einzigartige Kulturlandschaft mit dem Erbenwald, den privaten Buchenkampen und den Kopfbuchen im Ensemble muss bei der Überarbeitung des Landschaftsplanes die nötige Wertschätzung bekommen“, so Wessels. Hier soll vor allem das Wirken unserer Vorfahren in der Natur herausgestellt werden, wie im Naturschutzgebiet Bockerter Heide, wo der NABU eine Fläche besitzt und bearbeitet. Für das Naturschutzgebiet Bockerter Heide sollten wieder die Schilder erneuert und Flyer herausgegeben werden.
An weiteren Flächen mit historischem Buchenbestand ist der NABU interessiert.
Im Landschaftsschutzgebiet Giesen-Peschen mit dem Bodendenkmal „14 Rueten“ arbeitet der NABU seit vielen Jahrzehnten und kann in den alten Flachskuhlen als großen Erfolg viele Amphibien nachweisen.
Es deutet sich eine Kooperation mit dem Albertus-Magnus-Gymnasium an. Darüber hinaus möchte der NABU auch mit weiteren Vereinigungen kooperieren.
Ein weiteres Thema war der Klimawandel in Viersen, den wir bei unserer Arbeit in der Natur feststellen. So führt der fehlende Frost zu einer Mäuseplage, die vielerorts zu beobachten ist. Der ausbleibende Regen lässt die Böden in der Tiefe austrocknen mit der Folge, dass viele Bäume mit Stress und Pilzen reagieren. Diese Beobachtungen will der NABU über das Jahr einmal sammeln.
Beim nächsten Vereinsabend am Mittwoch, den 25. März in Dülken, im Haus Becker wird das Thema Insekten im Vordergrund stehen. Vielleicht gelingt es dazu eine Arbeitsgruppe zu bilden.
Günter Wessels, NABU Viersen, guenter.wessels (at) nabu-krefeld-viersen.de
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